Symptomatologie:
Ein Symptom ist ein zeit- und kultur-abhängiges Phänomen, das durch sich selbst auf etwas weist, das über die allgemeinen Voraussetzung für ein Erscheinen hinaus existiert, jedoch nicht unmittelbar wahrgenommen wird.
Symptomatologie ist folglich eine Wissenschaft des Offenbaren. Das Geoffenbarte (Symptom) weist durch sich selbst auf ein Ungeoffenbartes (Wirkendes oder Wesendes).
Bsp:
Die Aussage: “der Mensch ist eine materielle Maschine” ist ein Phänomen der materialistischen Suche nach dem Menschen in der Zeit des18. und 19. Jahrhunderts und impliziert eine bestimmte Kultur der anatomischen Untersuchung des menschlichen Leichnams, sowie der chemischen und physikalischen Gesetze. Diese Erkenntnisse wirken sich dann im zwischenmenschlichen Umgang wirtschaftlich-medizinisch Verhaltensprägend aus (der Mensch als Teil der größeren Maschine z.B in der Fabrikhalle mit Fliessbandarbeitsstätten, der Soldat als Kriegsmaterial gleicht einem hochspezialisierten Roboter, der Selbstmordattentäter als instrumentalisierte Waffe, der kranke menschliche Leib als Ziel des infektiösen, antibiotischen und chemotherapeutischen Angriffs).
Die Aussage: “der Leib eines Heiligen hat besondere Kräfte” kann zu einer Kultur der Verehrung, des Reliquienkultes, der zusätzlich artifiziellen Mumifizierung führen.
Beide oben genannten Beispiele sind jedoch in ihrer Zusammenstellung nur Symptom eines vergleichend denkenden Menschen, der versucht, durch seine Denktätigkeit zeitliche und kulturelle Erscheinungen des menschlichen Wirkens durch ein Nebeneinanderstellen im Hinblick auf die Frage: “wofür sind diese Erscheinungen Symptom” besser zu verstehen. Dies Besser-verstehen-wollen ist wiederum als Symptom betrachtet der Ausdruck eines menschlichen Denkens, welches versucht, frei von Eigenverwirklichung einen differenzierten Gegenstand begrifflich zu fassen – selbst also nicht zu wesen oder zu wirken. Im nächsten Schritt jedoch gewinnt dieses Denken eine begriffliche Vorstellung – zum Beispiel Sutherlands Erlebnis, dass die Schädelknochen atmen. Diese Vorstellung kann, muss aber nicht, zu einer wirkenden Tätigkeit des Menschen führen. Verfolgt die Vorstellung ihn ohne zwanghaft zu wirken, ist der Mensch frei zu einem Studium dieser Idee in den Naturzusammenhängen (Studium- und Forschungsphase). Der Mensch kann in dieser Phase der wiederholten, gegenständlichen, begriffsgeführten Beobachtung (Prüfung der Hypothese) zu Beschreibung eines Naturgesetzes, zu einem Zusammenleben mit dem beobachteten Wirken oder zu der Erscheinung seines Wesens unter Wesen gelangen. In der Beschreibung eines Naturgesetzes bleibt er gegen-ständlich und sein Denken dem gewonnenen Bild gegenüber frei. Dies führt osteopathisch zur anatomisch-physiologisch korrekten Morphologie (der Logos bleibt frei von…) In der einlebenden Beobachtung synchronisiert und synmorphologisiert der forschend Studierende und gewinnt so ein lebendiges Bild, das zugleich im Beobachteten und in ihm selbst lebendig sich gestaltend wirkt. Dies führt osteopathisch zur eigentlichen funktionellen Wirksamkeit, welche als eigentliche Morphodynamik bezeichnet werden kann. Sie ist keine Technik am Gegenstand, sondern eine Sensonik sich gemeinsam lebendig entfaltender Wirksamkeiten (die Dynamik des freien Wirkens mit… Freies Wirken mit anderen Wirksamkeiten kann nur über die erste Stufe, der Stufe des Logos, frei von Wirksamkeit, gewonnen werden, wenn diese Stufe im Leben mit der Wirksamkeit bewusstseinsmässig nicht verloren geht). In dem Bereich der wesenhaften Begegnung ist das eigenständige Bewusstsein in sich soweit erstarkt, dass es frei vom Gegenstand, frei im mitschaffenden Wirken, sich leiblich gestaltend erscheint. Dies ist heute die im Stoffwechsel- und Bewegungsorganismus morphisch nicht zu Ende geformte, sich differenzierende Zukunftsgebärde des individualisierenden, freien Menschen. Osteopathisch führt dies in das Gebiet der Ontologischen Morphogenie.
Im Rahmen des differentialdiagnostisch übenden Denkens bedarf es insbesondere bei den noch so weiten ungeoffenbarten Bildemöglichkeiten des Kindes einem symptomatologisch achtsamen Bewusstsein für diese Phänomene des morphogenialen (das noch unoffenbare Genie), morphodynamischen (die sich zeigenden Wirksamkeiten) und morphologischen Erscheinens.
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